Krampus des Jahres: Dietrich Mateschitz

Sehr verehrte Damen und Herren,

Tradition und ihr Verlust, das ist das Thema der heutigen Preisverleihung. Oft ist davon im Fußball die Rede. Zum Beispiel wenn es um jene Vereine geht, die einst große Erfolge feierten und heute mit der Bedeutungslosigkeit kämpfen. Oder wenn die Rede von den anderen ist, den Neuen, die bis vor zehn, fünfzehn Jahren kaum Titel gewannen und heute den Ton im europäischen Fußball angeben. Und schließlich hat Tradition nicht nur mit dem, was auf dem Feld passiert, zu tun, sondern auch auf den Tribünen und vor den Stadiontoren. Auch dort hat sich in letzter Zeit einiges verändert.

Doch es gibt da jemanden, der den Traditionsverlust nicht einfach so hinnehmen will. Dietrich Mateschitz und seine Firma Red Bull haben sich seit einem knappen Jahrzehnt den Kampf für Brauchtum und Heimatkunde auf die Fahnen geschrieben. Deswegen wollen wir ihm heute den Krampus des Jahres 2018 überreichen.

Traditionsliebhaber - Mateschitz ist Krampus des Jahres

Denn Dietrich Mateschitz reichte es nicht, Österreich in ein Versuchslabor des modernen Fußballs zu verwandeln. Es ist sein Verdienst und den Investitionen von Red Bull zu verdanken, dass in der österreichischen Meisterschaft schon lange keine Spannung mehr aufkommt. Nach fünf Meisterschaften in Folge führt Red Bull Salzburg auch in der aktuellen Meisterschaft mit 14 Punkten Vorsprung auf den Zweiten, gerade einmal 16 Spiele sind gespielt. Der Verein arbeitet professionell, sein Trainer ist wohl der beste in Österreich. Aber ohne ihr Netzwerk an Teams und ihr globales Scoutingnetzwerk, das für alle anderen Bundesligisten schlicht nicht leistbar ist, hätten die Salzburger nicht neun der letzten zehn nationalen Titel geholt. Es liegt nicht an exorbitanten Ablösesummen, dass überragende Kicker wie Amadou Haidara und Diadie Samassekou für Salzburg spielen. Doch kein anderes Team in Österreich hätte sie aus Bamoko in Mali verpflichten und dann in einem Farmteam in der zweiten Liga parken können. Hier ist Red Bull ein global Player.

tradition ungleich tradition

Aber vielleicht können Sie sich erinnern. Mateschitz war, und damit sind wir wieder beim Thema, nicht immer ein großer Fan von Tradition. Als Red Bull 2005 Austria Salzburg übernahm, ließ das Unternehmen davon nichts, aber auch gar nichts übrig. Noch 2013, als sich der Red-Bull-Ableger in Leipzig nach dem Aufstieg in die 3. Liga massiver Kritik ausgesetzt sah, erklärte er: „Tradition ist kein Verdienst.”

Es ist eine andere Tradition, die Herrn Mateschitz antreibt. Um das zu verstehen, müssen wir uns vom Stadion ab- und dem Fernsehen zuwenden. Zwei Jahre nachdem Red Bull die Salzburger Austria übernahm, kaufte das Unternehmen den Salzburger Lokalsender SalzburgTV. Noch einmal zwei Jahre später, 2009, startete der Betrieb von ServusTV, Tradition und Brauchtum waren von Anfang fest im Programm verankert. Der ehemalige ÖVP-Landesrat Bertl Göttl, in der Landesregierung unter Anderem für Heimat und Brauchtum zuständig, wurde zu einer zentralen Figur des Senders. Mit seiner Sendung „Hoagascht“ und „Unterwegs mit Göttl“ stellte stellt er jene heimischen Traditionen vor, mit denen Red Bull keine Probleme hatte.

Unter Intendant Ferdinand Wegscheider, seit 2016 Programmchef bei ServusTV, wurde klar, wie sie es meinen, mit der Heimatverbundenheit. Als „bürgerlich-liberal rechts der Mitte“ bezeichnet sich Wegscheider selbst. Gegen politische Korrektheit wettert er ebenso wie gegen das „ideologische Diktat einer linksintellektuellen Meinungselite“. Mit der rechtsextremen Elite hat der Sender demgegenüber wenig Berührungsängste. Im Oktober 2016 saß der Chef der österreichischen Identitären Martin Sellner bei ServusTV in „Talk im Hangar7“.

schmalzbrotpatriotismus

Das ist schon eine starke Geschichte. Denn Red Bull, dieser Global Player, war einst als hippe Marke angetreten – mit Tradition und Brauchtum hatte die Firma wenig zu tun. Als Energy Drink wollte das Getränk jungen Leuten Kraft für ihren Alltag spenden, quasi Kokain in legal. In Teilbereichen versucht das Unternehmen noch immer, hip und exzentrisch zu sein: Der erste Offizier des Unternehmens, Felix Baumgartner stürzte sich 2012 medienwirksam aus dem Weltall, in halb Europa sponsert die Firma HipHop-Konzerte und Skate-Wettbewerbe.

Doch lassen Sie uns nun noch einmal zum Fußball zurückkehren. Immerhin ist der „Krampus 2018“ eine Fußballtrophäe. Das Traditionsbewusstsein hat mittlerweile nämlich auch bei Red Bull Salzburg Einzug gehalten – und sparen Sie sich jetzt bitte die gemeinen Seitenhiebe auf die sich jährlich wiederholende Tradition des Scheiterns in der Qualifikation für die Champions League.

Die offene Biederkeit ist eingekehrt. Seit 2010 findet ein Heimspiel der Salzburger unter „Bauernherbst“-Motto statt: traditionelles Handwerk, Schmalzbrot, Trachten, Musikkapelle. 2017 gab es im Rahmen des Heimspiels gegen den LASK erstmals ein Krampuslauf um die Red-Bull-Arena. Vor Anpfiff spielt neuerdings eine Kapelle den Rainermarsch, in dem es um das Siegen und Sterben fürs Heimatland sowie das Verderben des Feindes geht.

Tauringetränkte monokultur

Die Heimatliebe des Herrn Mateschitz ist dabei nicht beliebig. Sie hat, ähnlich wie bei Herrn Wegscheider, eine konkrete, politische Bedeutung. Im Frühjahr 2017 kritisierte er in einem seltenen Interview die europäische Flüchtlingspolitik und bedauerte, dass die Grenzen nicht schon viel früher dicht gemacht wurden. Er sprach dem Großteil jener Menschen, die 2015 nach Europa kamen, ihren Flüchtlingsstatus ab. Und, das ist ja das Entscheidende, er verknüpfte dieser Einschätzung mit einer großen Angst vor Traditions- und Werteverlust. Mateschitz sorgt sich um die „Einzigartigkeit unserer Vielfalt, der Individualität, der verschiedenen Kulturen, Sprachen. Wenn einer der höchsten Beamten in Brüssel sagt, dass Staaten mit Monokulturen von der Landkarte ausradiert gehören, dann mache hoffentlich nicht nur ich mir Sorgen.“ Die Tradition ist damit zum Grundpfeiler für die Weltanschauung Dietrich Mateschitz‘ geworden. Für uns, die Jury des Krampus 2018, ist das und nicht aufgeregt-jugendliche Medienaktionen der Markenkern von Red Bull.

Deswegen gibt es niemanden in diesem so traditionellen Land, der sich den Preis mehr verdient hätte als Dietrich Mateschitz. Er ist der Krampus des Jahres 2018 der ballesterer.at-Redaktion.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!