Katar hat den Asien-Cup 2019 gewonnen und nicht nur im Finale, sondern das ganze Turnier hindurch spielerisch überzeugt. Wer noch einen Beleg braucht, dass das Emirat den Fußball ernstnimmt und bei der WM 2022 nicht nur Staffage sein will, hat ihn jetzt präsentiert bekommen. Oder auch nicht. Denn ein Blick auf die TV-Sender, die das Turnier in den Vereinigten Arabischen Emiraten übertragen haben, zeigt: Das Interesse aus Europa am asiatischen Fußball ist gering.
Von diesem Desinteresse ist der Schweizer Gianni Infantino explizit ausgenommen, er war beim Turnier dabei. Der geschäftstüchtige FIFA-Präsident tourt seit Wochen durch die Welt und verspricht nichts weniger als Frieden im Nahen Osten – durch Fußball. Er möchte die WM 2022 auf 48 Teilnehmer aufstocken und sie von Katar gemeinsam mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten austragen lassen. Fußball baue Brücken, sagt Infantino.
Der Asien-Cup und seine Begleiterscheinungen lassen allerdings erahnen, dass es mit ein paar Brücken, über die Bälle rollen, nicht getan ist. Das Turnier hat gezeigt, dass es bei der WM 2022 und in den Jahren davor um mehr geht als um Fußball oder genauer: immer schon gegangen ist. Für Katar ist die Profilierung als Sportnation auch ein Weg, sich auf der globalen Landkarte zu platzieren und so gegen militärisch übermächtige Nachbarn abzusichern. Im Juni 2017 haben Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Bahrein die diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen – offiziell wegen der Finanzierung terroristischer Gruppen. Sie werfen dem Land zudem eine zu große Nähe zum Iran vor. Ja, zum Glück, sagt dazu der gerade zurückgetretene iranische Teamchef Carlos Queiroz. Die Trainingslager, Vorbereitungsspiele und Reisen seiner Mannschaft, die habe nämlich Katar finanziert. Der Iran liefert sich mit Saudi-Arabien seit 2015 einen Stellvertreterkrieg im Jemen um die Vormachtstellung im Nahen Osten.
Das hat ja mit Fußball nichts zu tun, die Region ist ohnehin seit Jahrzehnten ein Pulverfass, und außerdem ist das alles sowieso viel zu kompliziert – möchte man bei all diesen Verwicklungen denken. So ähnlich ist es vielleicht auch dem britischen Arsenal-Fan Ali Issa Ahmad gegangen. Er sitzt jetzt in Schardscha in Untersuchungshaft, weil er das Spiel von Katar gegen den Irak beim Asien-Cup in einem Katar-Shirt besucht hat. Er hat wohl nicht mitbekommen, dass die Unterstützung des Landes in den Vereinigten Arabischen Emiraten unter Strafe steht. Den meisten Fans aus Katar war die Anreise zum Asien-Cup verwehrt, das Nationalteam musste auf Umwegen über Kuwait fliegen und wurde beim Spiel gegen den Gastgeber mit Schuhen beworfen.
Europäische Ignoranz gegenüber den politischen Verstrickungen des Fußballs auf der arabischen Halbinsel ist verlockend – und gefährlich. Sie fällt auch deswegen so leicht, weil sich unter den Herrschern in Doha, Abu Dhabi und Riad niemand zum Sympathieträger eignet. Letzteres gilt erst recht für den Herrscher des Weltfußballs in Zürich.