Dominik Kato und Thomas Schartner treffen den ballesterer auf der Terrasse einer ASKÖ-Sportanlage im Linzer Stadtteil Kleinmünchen. Die beiden sind Mitglied der „Landstrassler“, des Zusammenschlusses der aktiven Fans des LASK. Bei der Namensgebung hat die Gruppe auf eine Bezeichnung aus den 1960er Jahren zurückgegriffen. Als „Landstraßler“ wurden die LASKler damals meist abfällig von Fans des Stadtrivalen SK VÖEST tituliert. Heute tragen die Fans den Namen mit Stolz und ein bisschen Selbstironie, wie sie sagen: „Das passt zu unserer Mentalität.“ Auf den Plätzen nebenan wird während des Interviews Tennis gespielt. Nach den Lockerungen der Coronamaßnahmen kann die Sportanlage unter strengen Abstands- und Hygieneauflagen wieder genutzt werden. Der Tabellenführer hat es mit den Verordnungen des Gesundheitsministeriums nicht so genau genommen. Die Aufnahmen, die den LASK beim Mannschaftstraining zeigen, machen die Fans ebenso zornig wie die Reaktionen ihres Vereins.
ballesterer: Haben Sie gewusst, dass der LASK unerlaubte Mannschaftstrainings abhält?
Dominik Kato: Nein, wir haben es nicht gewusst. Wenn keine Spiele stattfinden, ist niemand von uns in Pasching. Aber überrascht hat es uns nicht, eher bestätigt. Oder sagen wir so: Uns kann nicht mehr viel schockieren.
Thomas Schartner: Trotzdem sind wir wütend. Wir haben die Saison unseres Lebens gespielt, und jetzt wird alles mit einer derart dämlichen Aktion gefährdet.
Kato: Aber es ist sinnbildlich für Dinge, die vorher passiert sind. Dass der Präsident sich hinsetzt und sagt: ‚Ich habe von nichts gewusst‘ und es auf die sportliche Leitung abwälzt, ist ein Wahnsinn. Für uns ist unvorstellbar, dass das ohne Wissen von Siegmund Gruber gegangen sein soll.
Was stört Sie am Verhalten des Vereins?
Kato: Der Klub betont uns gegenüber immer wieder, dass es rote Linien gibt, die nicht überschritten werden dürfen. Jetzt sieht man ganz klar, dass in anderen Bereichen solche roten Linien überhaupt nicht existieren. Es ist katastrophal, wie da mit der Verantwortung umgegangen wird.
Schartner: Diese mangelnde Ehrlichkeit zeigt sich nicht erst jetzt: Es hat immer geheißen, dass wir nur für kurze Zeit nach Pasching ziehen. Jetzt spielen wir seit dreieinhalb Jahren dort. Die Konstruktion, mit der wir unsere Amateurmannschaft in der zweiten Liga untergebracht haben, ist auch eine Frechheit. Zumal wir 2013 noch selbst wegen derselben Wettbewerbsverzerrung durch den FC Liefering den Aufstieg verpasst haben. Nicht zu vergessen, dass wir wegen der Sponsoren in rosa Dressen und mit gelben Ärmeln gespielt haben, obwohl das nichts mit unseren Farben zu tun hat. Die aktuelle Geschichte ist nur die Spitze des Eisbergs.
Gleichzeitig hat der LASK in der Ära Gruber auch große Erfolge gefeiert.
Schartner: Sicher, die letzten Jahre waren surreal. Bis 2014 waren wir noch in der Regionalliga. Einige von uns haben geglaubt, dass wir nie wieder international spielen werden. Und jetzt stehen wir im Achtelfinale der Europa League. Als wir 2018 in Istanbul bei Besiktas in dem fetten Stadion gestanden sind, sind Träume wahr geworden. Aber Erfolg ist ein zweischneidiges Schwert.
Kato: Wir haben immer wieder Kritik angebracht, nur hat die weit weniger Durchschlagskraft, wenn du nicht die Mehrheit hinter dir hast. Was uns stört, hat höchstens die Leute im harten Kern interessiert. Den anderen war es egal. Der Erfolg im Europacup entkräftet viele Argumente. Man muss sagen, dass die sportliche Entwicklung ja auch ein Wahnsinn war. Die Jungs haben uns in den letzten Jahren am Platz enorm viel gegeben. Dass das Ganze ohne teure Einkäufe vermeintlicher Stars gelungen ist, macht uns besonders stolz. Der Identifikationsfaktor ist sehr hoch.
Gibt es eine Gesprächsbasis mit der Vereinsführung?
Kato: Ja, im Gegensatz zur Zeit unter Peter-Michael Reichel gibt es die. Vor dreieinhalb Jahren hat es die ersten Gespräche gegeben, jetzt treffen wir uns regelmäßig zum Austausch. Ich habe auch den Eindruck, dass manche unserer Punkte berücksichtigt werden. Das Stehplatzabo kostet immer noch 150 Euro, das ist gut. Es gibt das Interesse, dass das Stadion voll ist und es eine gute Atmosphäre gibt.
Schartner: Es ist ein bisschen paradox. Es gibt günstige Dauerkarten, aber auch Aktionen, die dem, wie wir uns den Fußball vorstellen, komplett widersprechen. Sobald wir etwas vorschlagen, was sich nicht vermarkten lässt, haben wir keine Chance.
Sie haben Reichel angesprochen, der bis 2013 Vereinspräsident war und gegen den die Fanszene massiv mobilisiert hat. Wie unterscheidet sich Gruber von ihm?
Kato: Gruber ist präsent, Reichel war selten da. Er war während unserer Spiele in Australien Tennis spielen. Siegmund Gruber ist im Stadion und ist voll dabei. Die beiden Präsidenten sind kaum vergleichbar.
Kommen wir zu einem anderen Thema: Dominik Kato, Sie haben die Gugl auf Ihrem T-Shirt. Was bedeutet das Stadion für Sie?
Kato: Sehr viel. Ich bin auf der Gugl groß geworden, das war mein Wohnzimmer. Es ist ein geiles Stadion und liegt zentral in Linz. Vor dem Umzug nach Pasching war die Gugl Jahrzehnte lang unsere Heimat, sie gehört einfach zum LASK.
Die Laufbahn stört Sie nicht?
Kato: Sie war immer schon da, deswegen habe ich mir die Frage nie wirklich gestellt. Für die Stimmung ist das größere Problem das Loch hinter dem Tor auf der Ostseite.
Schartner: Für uns „Landstrassler“ ist die Gugl extrem wichtig. Die Nachricht, dass wir künftig an die alte Wirkungsstätte zurückkehren werden, war für uns ein Grund zu feiern. Sicher war es in der Regionalliga manchmal zäh. Aber da waren wir gerade einmal 500 Leute. Da ist nicht das Stadion, das Loch und auch nicht die Laufbahn schuld, sondern wir, weil wir so wenige waren.
Wie ist es dann zur Gründung der „Landstrassler“ gekommen?
Schartner: Wir sind 2014 aus einem Haufen motivierter Leute entstanden. Es hat damals zwei junge Gruppen im Fansektor gegeben, die „Linz City Group“ und die „Linzer Jungs“. Daneben hat es noch viele Einzelpersonen gegeben – und die alten Gruppen aus den 1990er Jahren, „Commando Urfahr“ und „Viking Linz“. Aber die Abstimmung hat gefehlt, oft war es sogar ein Gegeneinander. Man hat nicht gewusst, wer vorsingt, wer trommelt und ob überhaupt jemand zum Spiel kommt.
Kato: Wir haben gewusst, dass wir etwas tun müssen, wenn aus dem Ganzen noch etwas werden soll. Wir haben alle eingeladen, von denen wir gedacht haben, dass sie Wille und Energie mitbringen. Das erste Mal haben wir uns im Mai getroffen, im Dezember waren wir uns einig, in welche Richtung es gehen soll.
Die LASK-Kurve hat einen rechten Ruf. 2007 haben Fans ein „Schalom“-Spruchband gegen die Wiener Austria präsentiert, 2011 beim Derby gegen Blau-Weiß eines mit der Botschaft: „Skinheads, Assln, woarme Zecken, ihr Wixer sollt verrecken“. War das für euch ein Problem?
Kato: Zu Beginn des Projekts „Landstrassler“ haben wir uns mehrere Ziele gesteckt. Eines davon war, die Politik aus dem Stadion zu bringen.
Schartner: Den rechten Ruf hat es zum Teil auch aus gutem Grund gegeben. Da hat schon einmal einer die rechte Hand nach oben strecken können, und es wurde wenig dagegen vorgegangen. Ohne das schönreden zu wollen, führe ich das auch auf die Unorganisiertheit zurück. Damals hat jeder gemacht, was er wollte. Ich glaube nicht einmal, dass ein großer Prozentsatz rechtsextrem war, aber es war vielen egal.
Heute würde niemand mehr den Hitlergruß im Stadion zeigen?
Kato: Nein. Und wenn doch, würden wir einschreiten.
Sind die Rechten noch da und halten sich zurück, oder ist diese Generation verschwunden?
Schartner: Die Leute sind teilweise noch da, teilweise weggebrochen. Wir schließen niemanden aus dem Block aus, weil er privat so denkt, solange er seine Meinung in jeglichem LASK-Zusammenhang nicht äußert. Aber seien wir uns doch ehrlich: In fast jeder österreichischen Fanszene gibt es diese Generation, die heute Mitte 40 oder älter und oft rechts ist. Manche Fanszenen sind schon vor 20 Jahren dagegen vorgegangen, bei uns hat man lange zugeschaut.
Kato: Jetzt machen wir es umso intensiver: Wenn etwas Politisches auftaucht, greifen wir durch.
In Linz hat Blau-Weiß lange nicht nur als der linkere Verein gegolten, sondern auch als der, der in der Subkultur stärker verankert ist. Jetzt sieht man in der Stadt fast nur noch ASK-Graffitis und in alternativen Lokalen Pickerl von euch. War das auch ein Ziel von euch?
Kato: Es war ein netter Nebeneffekt. Wir sind einfach gewachsen. Früher waren es wenige Leute, die sich meistens im selben Lokal getroffen haben. Heute sind überall Leute von uns, unsere Fanszene ist heterogener geworden.
Schartner: Das Sprayen steht sinnbildlich für diese Entwicklung, die schon einigen von uns am Herzen liegt. Früher hat das bei uns keiner gemacht, das wollten wir ändern. Es ist nicht mehr so, dass alles, was nach Subkultur riecht, Blau-Weiß ist. Das ist gut so.