Über idJack zu reden, ist den Beteiligten offenbar unangenehm. „Wir haben das Thema in den letzten Wochen bereits ziemlich durchgekaut“, lautet die erste Reaktion aus der Geschäftsstelle des SK Sturm auf eine ballesterer-Anfrage. Dass der Konflikt über die verpflichtende Registrierung bei der App zwar aufgeworfen, aber nicht aufgelöst ist, zeigt ein Blick zum Liebenauer Stadion: „idJack muss weg“, steht auf einem Spruchband der Fangruppen, das sie beim Heimspiel gegen den SCR Altach vor der leeren Nordkurve aufhängten. So öffentlichkeitswirksam sind die Fans erst spät aufgetreten. „In der derzeit sehr angespannten Situation, in der es um das Überleben des Vereins geht, haben wir zuerst versucht, im Hintergrund eine Lösung zu finden“, sagt Georg Kleinschuster vom „Kollektiv 1909“, der Dachvereinigung der aktiven Fangruppen. Doch worum geht es bei diesem Konflikt?
Gläserne Grazer
Als im Frühling die Lockerung der ersten Coronamaßnahmen absehbar war, begannen die Vereine, an Sicherheitskonzepten zu arbeiten, um möglichst vielen Fans einen Stadionbesuch zu ermöglichen. Dazu gehörten der Mund-Nasen-Schutz und fixe Sitzplätze im Schachbrettmuster. Darüber hinaus setzte der SK Sturm als einziger Bundesligist auf eine digitale Erfassung der Stadionbesucher. „Um den Anforderungen der Gesundheitsbehörden bestmöglich nachzukommen, verwenden wir ein System, das es bereits seit vielen Jahren am Markt gibt, gut funktioniert und verlässlich ist“, sagt Sturm Geschäftsführer Thomas Tebbich. Dafür bedient man sich einer Lösung der Softwarefirma Teilzwei, eben jener App idJack. Sturm-Vorstandsmitglied Wolfgang Nusshold ist an dem Unternehmen beteiligt, er stellt die App dem Verein kostenlos zur Verfügung.
„Man muss mit einer Fremdfirma einen Vertrag abschließen und seine Daten übermitteln“, sagt Georg Kleinschuster. „Wer das nicht will, kann auch nicht ins Stadion.“ Anfang Oktober legte das „Kollektiv 1909“ daher anderen Sturm-Fans nahe, nicht zu den Heimspielen zu gehen, solange die App verpflichtend ist. „idJack ist nicht bloß eine App, es ist ein Softwarepaket für sichere Zutrittsverwaltung und smarte Kommunikation“, sagt Alexander Fülöp. Er ist Gründer und Geschäftsführer von Teilzwei, hat die Software 2013 programmiert und entwickelt sie seither laufend weiter. Für die Registrierung im Stadion mussten die Fans nicht nur Namen, E-Mail-Adresse und Telefonnummer übermitteln, sondern auch noch das Geburtsdatum angeben sowie ein Porträtfoto und eine Ausweiskopie hochladen. Nach Verifizierung der Daten erhält der Nutzer einen personalisierten QR-Code in der App. Dieser wird am Stadioneingang gescannt, wo der Sicherheitsdienst die Identität mit den abgespeicherten Daten auf dem idJack-Server abgleichen kann.
Sowohl Sturm als auch Teilzwei betonen, dass man sich an die Datenschutzvorgaben halte. Wenn man sich die Erklärungen auf der Sturm-Website und in der App anschaut, erscheint das zumindest fragwürdig. Trotz wochenlanger Debatten über den Einsatz der Software sind die Angaben nämlich widersprüchlich. Sturm sammelt mehr Daten, als von den Gesundheitsbehörden für das Contact Tracing gefordert werden. Die Nachverfolgung zur Pandemiebekämpfung wird zudem in der Datenschutzerklärung gar nicht als Grund für die Datensammlung genannt. Somit werden mehrere Datenschutzgrundsätze ignoriert, jene der Zweckbindung, der Datenminimierung und der Transparenzpflicht.
Sicher und gesund
Dass Corona in der Datenschutzerklärung nicht vorkommt, liegt womöglich an der Genese der Software. Als es vor Jahren im Grazer Univiertel Probleme mit Sperrstunden, Jugendschutz und Raufereien gab, begannen zwei große Nachtlokale, idJack zu nutzen. Besitzer dieser Clubs ist Sturm-Vorstand Nusshold. 2019 präsentierten er und andere Lokalbetreiber gemeinsam mit dem Stadtpolizeikommandanten und lokalen FPÖ-Größen die Aktion „Sicheres Nachtleben“. „In den Lokalen der Nachtgastronomie, die idJack verwenden, ist der Sicherheitspegel enorm gestiegen“, sagt Nusshold, später seien andere Funktionsmöglichkeiten in den Mittelpunkt gerückt. „Die App hat sich für die Lokale zu einem Marketingtool entwickelt.“ Sie sei günstig und vielseitig zu verwenden, sagt der Unternehmer, der von größeren Märkten träumt. „Theoretisch wäre idJack weltweit einsetzbar – vom Tenniszirkus bis zur Formel 1.“
Derzeit wird die Software nur von einigen steirischen Lokalen und vom SK Sturm verwendet – und hat dennoch bereits Daten von knapp 150.000 Menschen gesammelt. Das Unternehmen hat die App auch anderen Vereinen präsentiert, bislang ohne Erfolg. „Uns ist das System vorgestellt worden, aber es kann mehr, als es muss“, sagt GAK-Manager Matthias Dielacher. „Die Anforderungen der Gesundheitsbehörde können wir mit unserem Ticketingsystem ebenso gut abdecken.“
Digitale Zukunft
Der SK Sturm wollte zunächst nicht ausschließen, dass idJack auch nach der Coronakrise verwendet wird. Aufgrund der Fanproteste zeigte sich der Verein in den letzten Wochen aber kompromissbereit. Die App soll nach Lockerung der Coronamaßnahmen nicht mehr verpflichtend für den Stadionbesuch sein. Foto und Lichtbildausweis sind seither nur noch optional. „Im Einvernehmen mit unseren Fangruppen haben wir diese Anforderung zurückgenommen“, sagt Tebbich. Der Zweck von Foto und Ausweiskopie sei ohnehin bloß gewesen, einen schnelleren Einlass zu ermöglichen. Jedoch wird dieses Entgegenkommen weder auf der Website des SK Sturm noch auf jener von idJack kommuniziert.
Widersprüchlichkeiten wie diese bestärken die Fans in ihrem Misstrauen. Auch weil der Klub offen ausspricht, dass er nicht nur an der reibungslosen Datenweitergabe für das Contact Tracing interessiert ist. „Corona ist der Anlassfall, um den digitalen Eintritt zu ermöglichen“, sagt Sturm-Vorstand Nusshold. Eigentlich hätte der Klub die Registrierung der Fans gerne in einer eigenen App gelöst. „Wir wollen zukünftig eine Sturm-App mit einem Bonussystem, von dem die Fans einen Mehrwehrt haben“ sagt Geschäftsführer Tebbich. Ob idJack später in eine solche klubeigene App integriert oder ob eine neue Lösung entwickelt wird, sei noch offen. „Das ist auch eine Kostenfrage.“
Die Digitalisierung will man beim SK Sturm jedenfalls vorantreiben. „Meine Vision ist ein Stadion, in dem ich ein System habe, mit dem ich meinen Fans umfassenden Service bieten kann“, sagt Nusshold. Er kann die Kritik an idJack nur schwer nachvollziehen. „Das Problem ist, dass sich die Leute zu wenig mit dem Thema beschäftigt haben und nicht ausreichende oder schlicht falsche Informationen hatten.“ Zumindest in diesem Punkt sind sich Fan Kleinschuster und Vorstand Nusshold einig, auch wenn sie gegensätzlicher Meinung sind. „Der Verein wollte eine billige, praktische Lösung finden“, sagt Kleinschuster. „Aber er hat sich anscheinend keine Gedanken gemacht, was das Ganze alles mit sich bringt.“