Im Herzen von Floridsdorf, auf halber Strecke zwischen Bahnhof und Stadtrand, liegt der FAC-Platz. Er ist umgeben von Wohnhäusern, Trainingsplätzen und einem Grillrestaurant. Der Hausherr, der Floridsdorfer Athletiksport-Club, ist einer der ältesten Fußballvereine Österreichs. In der darniederliegenden K.-u.-k.-Monarchie erlebte der Klub seine erfolgreichste Zeit, 1918 gewann er seinen bisher einzigen Meistertitel. Mehr als 100 Jahre später spielt der FAC nach mehreren Jahrzehnten im Unterhaus in der zweiten Liga.
Dort treffen die Floridsdorfer an einem bewölkten Samstagnachmittag im April auf den Tabellenvorletzten aus Dornbirn. Es ist ungemütlich kalt, trotzdem bilden sich vor den zwei Ticketschaltern lange Schlangen. 1.250 Zuschauer kommen, unter ihnen ist auch Ex-Kapitän Marco Sahanek, der 2021 nach Thailand gewechselt ist. Die Stimmung ist gut, auf der Haupttribüne brandet immer wieder ein Sprechchor für Flügelstürmer Flavio dos Santos auf, hinter dem Tor supportet eine Gruppe von rund 15 Fans mit Trommeln und Dauergesängen.
Aber dem FAC will kein Tor gelingen, ihm läuft die Zeit davon. In der 85. Minute wartet Patrick Puchegger nahe der Outlinie darauf, einen Freistoß zur Mitte zu bringen. Was folgt, hätte wohl kaum einer der Anwesenden erwartet. Der Innenverteidiger verwandelt direkt zum 1:0. Seine Mitspieler begraben ihn an der Mittellinie unter einer Jubeltraube, auch Tormann Lukas Gütlbauer stürmt dazu. Auf den Rängen feiern die Zuschauer die späte Erlösung.
In einer normalen Saison hätten die Dornbirner womöglich eine ihrer Konterchancen verwertet und der FAC das Spiel trotz der Dominanz verloren. Aber normal ist diese Spielzeit schon lange nicht mehr. Bereits im März übertrafen die Floridsdorfer ihren bisherigen Punkterekord in der zweiten Liga, von Oktober bis April blieb die Mannschaft 15 Spiele lang ungeschlagen. Zu Redaktionsschluss beträgt der Rückstand auf Titelfavorit Lustenau vier Punkte, der FAC ist das einzige Team, das den Vorarlbergern den Aufstieg noch streitig machen kann.
Magische Mischung
Bis vor Kurzem hätte man beim FAC nicht einmal gewagt, von der höchsten Spielklasse auch nur zu träumen. Seit dem Aufstieg 2014 kämpfte der Klub regelmäßig gegen den Abstieg. Als im April 2021 wieder einmal Feuer am Dach war und die Floridsdorfer nach 23 Spieltagen auf dem drittletzten Tabellenplatz lagen, übernahmen die bisherigen Co-Trainer Mitja Mörec und Aleksandar Gitsov. Unter ihrer Führung stellten sich schnell bessere Resultate ein. Der FAC schloss die Saison als Neunter ab. Im vergangenen Herbst zündete die Rakete dann endgültig. Die 0:1-Niederlage gegen den GAK am 2. Oktober 2021 sollte die letzte für mehr als ein halbes Jahr sein. „Wir sehen gerade den besten FAC seit Langem“ sagt der 31-jährige Sportdirektor Lukas Fischer im Gespräch mit dem ballesterer. Der derzeitige Höhenflug kam auch für ihn überraschend.
Der FAC betrachtet sich als Ausbildungsverein, die große Fluktuation im Kader schob einer erfolgreichen Saison oft den Riegel vor. Auch letztes Jahr verließen im Sommer 17 Spieler den Verein, 19 neue kamen dazu. Doch Fischer hat in diesem Transferfenster einen guten Fang gemacht: „Wir haben eine Einheit zusammengestellt, mit verschiedenen Spielertypen, die gut in unser Konzept passen.“ Talente wie Mittelfeldspieler Thomas Komornyik wollen sich beim FAC für höhere Aufgaben empfehlen, aussortierte Bundesliga-Spieler wie Martin Rasner und Marcus Maier bekommen eine zweite Chance. Mit Kapitän Mirnes Becirovic und Christian Bubalovic sind zwei routinierte Spieler im Kader, die seit mehreren Jahren beim Verein sind. Sie bilden das Rückgrat einer Defensive, die nach 26 Runden nur 16 Tore zugelassen hat.
„Irgendwann ist es zum Selbstläufer geworden“, sagt Fischer. Mit dem Erfolg erntet der Verein die Früchte, die er in den letzten Jahren gesät hat. Seit Fischer 2018 die sportliche Leitung übernommen hat, wurde verstärkt in den Nachwuchs und in die medizinische Abteilung investiert. Die jungen Spieler im Verein arbeiten vor den Trainings mit eigenen Athletiktrainern, um später im Erwachsenenfußball leichter Fuß zu fassen. Im medizinischen Bereich ist man mit einem Physiotherapeuten, drei Sportmasseuren und zwei Ärzten breit aufgestellt. „Wir haben von dem Regionalliga-Niveau wegkommen müssen, auf dem der Klub immer noch war“, sagt der Sportdirektor.
Werbetafelweltmeister
Der Klub hat mit rund 1,2 Millionen Euro eines der kleinsten Budgets in der zweiten Liga, für Transfers hat man schon lange kein Geld mehr ausgegeben. Auch wenn zuletzt einige potenzielle Investoren aufmerksam geworden sind, bäckt der FAC kleinere Brötchen. „Wir wollen uns nicht von einem Geldgeber abhängig machen. Deswegen hängen bei uns wahrscheinlich die meisten Werbetafeln der Welt“, sagt Fischer. „So können wir ausgleichen, wenn jemand Größeres bei uns aussteigt. Das verleiht uns trotz des kleinen Budgets Stabilität.“ 32 Sponsoren und Partner listet der Klub auf seiner Website, Dressensponsor ist die Wien Energie – nicht der einzige mit Naheverhältnis zur Stadt.
Das Fundament ist so stabil, dass die erste wichtige Hürde für den Aufstieg schon genommen wurde. Die Lizenz erhielt der Klub in erster Instanz, jetzt ist der Meistertitel in der zweiten Liga das erklärte Ziel. „Es liegt auf dem grünen Rasen und nicht mehr am grünen Tisch“, sagt Fischer. „Wenn wir den Aufstieg sportlich schaffen, sind wir bereit für die Bundesliga.“
Die Heimstätte der Floridsdorfer ist das nicht. Der FAC-Platz ist in die Jahre gekommen, und – so urig die Kantine und ihr kleiner Gastgarten mit Blickrichtung Spielfeld auch sein mögen – er erfüllt die Anforderungen der höchsten Spielklasse nicht. Im Falle eines Aufstiegs würde der FAC den Weg des berühmteren Floridsdorfer Vereins, der Admira, nachahmen: Er würde zumindest das nächste Jahr in der Südstadt im Wiener Umland spielen, über 20 Kilometer von Floridsdorf entfernt. Das wäre aber nur eine Übergangslösung. „Es gibt Pläne für einen Neubau, wir sind in finalen Verhandlungen mit der Stadt Wien“, sagt Fischer. „Falls wir aufsteigen, müssten die Pläne adaptiert werden, damit wir in Floridsdorf auch Bundesliga spielen können.“
Längerfristig kommt ein Umzug auf die andere Seite der Donau für den FAC nicht infrage. Der Klub ist in Floridsdorf verankert, der Großteil seiner Fans kommt aus dem Bezirk. Lukas Fischer ist selbst Floridsdorfer, für ihn hätte der Aufstieg auch deshalb eine emotionale Bedeutung. „Es wäre das Geilste, wenn es hier im Bezirk Bundesliga-Fußball geben würde.“