Es kam, wie es kommen musste. Am Tag vor der Begegnung zwischen der SSC Napoli und dem Genoa CFC wurden zwei Spieler der Gäste positiv auf Covid-19 getestet. Die Betroffenen mussten zuschauen, wie ihre Mannschaft 0:6 verlor, einen Tag nach dem Spiel wurden bei Genoa 14 Coronainfektionen gemeldet. Während die Zahl in den kommenden Tagen auf 22 anstieg, verzeichnete auch Napoli die ersten beiden Fälle. Die Serie A steckt in der Coronakrise, auf die Infektionen folgte die Farce.
Die Liga verschob zwar die nächste Begegnung von Genoa, hielt aber an der Austragung des Spitzenspiels zwischen Juventus und Napoli fest. Am Tag vor dem Match untersagte die lokale Gesundheitsbehörde den Neapolitanern die Reise nach Turin, Juventus und die Liga ignorierten den Bescheid und bewarben das Spiel ganz so, als könnte es regulär ausgetragen werden. Juventus kommunizierte eine halbe Stunde vor Anpfiff die Aufstellung einer Partie, die nicht stattfand. Seither streiten alle miteinander – lokale Gesundheitsbehörden, das Ministerium, die Klubs, die Liga und der Verband.
Es mag schon sein, dass Napoli ohne wichtige Spieler nicht nach Turin fahren wollte und sich über das Reiseverbot der Behörden freute. Gleichzeitig hätte Juventus sonst wohl selbst alle Hebel in Bewegung gesetzt, um nicht unter erhöhtem Infektionsrisiko spielen zu müssen. Klar ist, dass sich die Turiner eine Strafverifizierung der Partie wünschen. Die ist auch im Interesse der Liga, die für den reibungslosen Ablauf ihrer Meisterschaft keine Interventionen der Gesundheitsbehörden gebrauchen kann.
Das ist auch der Kernpunkt des Problems: Die Klubs, Ligen und Verbände wollen in anormalen Zeiten Normalität spielen. Das Beispiel aus Italien hebt sich durch das groteske Bild einer vergeblich auf die Gäste wartenden Mannschaft ab, ähnliche Fälle lassen sich aber quer durch Europa finden. Nicht zuletzt bei Red Bull Salzburg, das mit Maccabi Tel Aviv gegen eine Mannschaft mit massiven Coronaproblemen antreten musste. Die Pandemieprotokolle der Ligen und der UEFA mögen ausgefeilt sein, zu Ende gedacht sind sie nicht. Denn die Inkubationszeit des Virus richtet sich nicht nach den Spielplänen des Fußballbetriebs.
Aus gesundheitspolitischer Sicht hätte es eine massive Terminreduktion gebraucht, um Raum für Nachtragsbegegnungen zu lassen. Darauf konnten sich die Ligen und Verbände aber nicht einigen, die Spielpläne sind beinahe so voll wie immer. Will man sie durchpeitschen, muss man bei Absagen mit Strafverifizierungen drohen. Damit wird es aber gerade in Zeiten eines enormen wirtschaftlichen Drucks immer im Interesse der Klubs sein, ihre Spiele auszutragen – allen gesundheitlichen Bedenken zum Trotz.
Komplizierte Infektionsketten sind die logische Folge. Und das kann weder im Interesse der Vereine, nochder Ligen und Verbände sein. Denn der faire Wettbewerb wird irgendwo zwischen Strafverifizierungen und Antritten von ersatzgeschwächten Mannschaften verloren gehen. Anlass zur Hoffnung, dass sich die Situation von selbst entspannt, gibt es angesichts der europaweit steigenden Infektionszahlen wenig. Entweder die Ligen und Verbände sind also blind gegenüber dem Virus, oder ihnen ist ohnehin längst klar, dass es heuer keinen normalen Spielbetrieb geben kann – und sie kommunizieren es nicht, weil sie um ihren Werbewert fürchten. Vertrauensbildend ist keine der beiden Optionen.