„Football is nothing without the fans.“ Das Zitat des früheren Celtic-Trainers Jock Stein ist eigentlich eine Binsenweisheit. Der Fußball verdankt seinen Fans alles – die Faszination, die Popularität und die finanziellen Mittel. Egal, ob im Stadion, im Fanshop, vor dem Fernseher oder als Kunde eines Sponsors – die Fans bezahlen den Profifußball. Der Einnahmenmix von Kartenverkäufen, Merchandising, Sponsoring und medialer Rechteverwertung hat sich im internationalen Fußball in den letzten Jahren massiv in Richtung der Fernseheinnahmen verlagert. Und trotzdem kann das finanzielle Gewicht der TV-Anstalten die Anhänger vor Ort nicht wettmachen. Im Gegenteil: Die Fernsehsender brauchen die Fans. Ihr Produkt lebt nicht nur von der gezeigten sportlichen Qualität, es benötigt Atmosphäre von den Rängen.
Verfolgt man ein Geisterspiel im Fernsehen, erinnert das weniger an Spitzenfußball als an den Kick der eigenen Hobbyrunde. Man hört jeden Zwischenruf und jedes Scheppern nach einem verschossenen Ball. Was man nicht hört, sind kollektive Emotionen wie den Jubel und den Frust eines vollen Stadions. Um im Fernsehen zu funktionieren, brauchen Fußballspiele diese fernsehtauglichen Bilder und Töne. Fehlen sie, wird kaum jemand einschalten wollen. Diese Binsenweisheit scheinen die Funktionäre, die quer durch Europa auf eine möglichst schnelle Fortsetzung des Fußballbetriebs pochen, zu vergessen.
Zu ihrer Verteidigung kann man einbringen, dass es während einer globalen Pandemie nur schlechte Lösungen gibt. Die möglichst rasche Wiederaufnahme des Spielbetriebs gehört aber zu den schlechtesten. Die Klubs drängen darauf, weil sie auf die Überweisung der nächsten Rate der TV-Gelder angewiesen sind. Geisterspiele können kurzfristig bei der Liquidität helfen, längerfristig beschädigen sie aber das Produkt. Zwar sagen die Verantwortlichen, sie retten so den Fußball, doch am Ende nehmen sie ihm das, was ihn ausmacht.
Man kann während einer Pandemie nicht so tun, als gäbe es sie nicht. Das beginnt bei der Behauptung, dass den Menschen kaum etwas wichtiger sei, als Fußball im Fernsehen zu sehen. Das mag unter normalen Umständen gelten, doch derzeit stellt sich eher die Frage, wer überhaupt 22 Männern beim Spielen in engstem Körperkontakt zuschauen will, während man nicht einmal ohne Mund-Nasen-Schutz mit der U-Bahn in die Arbeit fahren und mit mehr als drei Freunden ein Bier trinken gehen kann.
Selbst wenn die Ligen fertiggespielt werden sollten, wie sollen die Meisterfeiern aussehen? Soll der Teller von maskierten Spielern mit Handschuhen weitergereicht werden? Soll der Pokal geküsst und dann desinfiziert werden, bevor der Nächste an der Reihe ist? Wer soll sich dabei freuen können? Wie soll ein Europacup ausgetragen werden, wenn Grenzen geschlossen sind und für schwer getroffene Regionen Reisewarnungen bestehen? Werden die Fußballer dann mit Ausnahmeregelungen eingeflogen? Und wollen sie sich diesem Risiko überhaupt aussetzen, um nur fürs Fernsehen aufzulaufen?
Es gibt während einer Pandemie nur schlechte Lösungen, der Fußball sollte sich Zeit nehmen, um die beste zu suchen. Dabei muss er weiterhin auf Virologen und Gesundheitsexperten hören – und vielleicht auch auf die Worte eines vor 35 Jahren verstorbenen schottischen Trainers. Denn finden wird er sie nur mit den Fans.