Diese Geschichte hat zwei Chronologien. Die erste beginnt am 11. August mit einem Beitrag des deutschen TV-Magazins Sport inside. Die Redaktion berichtet über Vorwürfe gegen einen Nachwuchstrainer des FC Bayern. Der Mann habe sich mehrfach rassistisch geäußert und drangsaliere Kinder und Jugendliche. Sport inside liegen Chatprotokolle und Briefe von Eltern als Belege vor. Am nächsten Tag leitet die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein, am selben Abend erfährt das Magazin, dass der Verein sich von dem Mitarbeiter trennen wolle. Am 17. August wird die Trennung offiziell mitgeteilt. Eine schnelle und professionelle Reaktion, könnte man denken.

Die andere Chronologie beginnt fast zwei Jahre früher, als sich Eltern im Herbst 2018 das erste Mal an den Verein wenden, mit der Bitte, die Probleme ernst zu nehmen. Es folgen weitere Schreiben, auch andere Trainer sind mit dem Verhalten des Kollegen nicht einverstanden, doch er verfügt offenbar über eine große Hausmacht. Das erfahren die Journalisten im Zuge ihrer Recherchen. Sie konfrontieren den Verein mit den Vorwürfen. Die Anschuldigungen seien haltlos, teilt der FC Bayern mit, es handle sich um eine Privatfehde, der Trainer sei beliebt.

Dann wird der Beitrag veröffentlicht, und es beginnt Chronologie eins. Der FC Bayern ist gezwungen, nach und nach von seiner Position abzurücken. „Aus ganz Deutschland rufen mich Kollegen an, was bei uns los ist. Wie das sein kann bei so einem Vorzeigeverein“, zitiert Sport inside einen Klubmitarbeiter. Es ist eine berechtigte Frage, die schon oft beantwortet worden ist: An bestimmten Orten sind Ungleichbehandlung und Unterdrückung leichter möglich. In Organisationen mit großem Machtgefälle wie zwischen Trainer und minderjährigen Spielern, in geschlossenen Systemen wie einem Nachwuchsleistungszentrum, in männerbündischen Strukturen, in denen es um viel geht – um Ehrgeiz, Träume und Hoffnungen junger Menschen und ihrer Familien.

Genau deswegen dürfen diese Orte nicht sich selbst und ihren eigenen Presseabteilungen überlassen werden. Genau deswegen sind Formate wie Sport inside so wichtig. Die Redaktion weiß mit dem WDR einen der größten europäischen TV-Sender hinter sich. Ohne diese mediale Macht wäre die Geschichte vermutlich mit nur einer Chronologie geendet.