Für die Initiative „50+1 bleibt“ war es ein guter Sommer. Ende Juli zog Martin Kind – lange der starke Mann bei Hannover 96 – seinen Antrag bei der DFL auf eine Ausnahmeregelung von der 50+1-Bestimmung zurück. Der Schritt kam nicht überraschend. Im März hatte Kind bei der Mitgliederversammlung des Vereins eine herbe Niederlage gegen die von aktiven Fans geführte Opposition davongetragen und musste seinen Präsidentenposten aufgeben.
Mit dem Rücktritt von VfB-Präsident Wolfgang Dietrich hat im Sommer ein weiterer Kritiker der 50+1-Regel das Feld geräumt. Die Stuttgarter Fans gehören zu den größten Unterstützern der Kampagne für den Erhalt von 50+1. Die in den Statuten des deutschen Fußballs verankerte Regelung besagt, dass die Stimmenmehrheit immer beim Verein bleiben muss. Das gilt auch, wenn ein Klub seine Profiabteilung ausgliedert. So soll der Einfluss von Investoren beschränkt werden.
Auch für die DFL ist der Schritt von Martin Kind erst einmal eine gute Nachricht, weil er eine lästige Auseinandersetzung beendet. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Ligaverband unter Zugzwang ist – und die 36 Mitglieder aus den oberen zwei Ligen in Sachen 50+1 gespalten sind. Der FC Sankt Pauli hat im Frühjahr 2018 eine Mehrheit dazu gebracht, für den Erhalt der Regel zu stimmen. Doch mächtige Klubs wie der FC Bayern fordern, sie kontrolliert abzuschaffen – bevor es das Urteil eines weltlichen Gerichts tut. Die Bestimmung sei ohnehin längst ausgehöhlt, lautet eines der Argumente, das angesichts der Ausnahmeregeln für Wolfsburg, Leverkusen und Hoffenheim sowie des Ausverkaufs des HSV an Investor Klaus-Michael Kühne plausibel ist.
Die Regel verzerre den Wettbewerb und benachteilige ihre Klubs, sagen die Ex-Präsidenten Dietrich und Kind. Fredi Bobic, Sport-Vorstand von Eintracht Frankfurt, sorgt sich um die sportliche Spannung und das finanzielle Gleichgewicht der Liga. „Solange sich die Strukturen und die Möglichkeiten, Einnahmen zu generieren, in der Bundesliga nicht ändern, werden die Machtverhältnisse bleiben, wie sie sind“, sagte er Anfang August.
Diese Sichtweise suggeriert, dass mit der Öffnung für Investoren tags darauf Unternehmen im ganzen Land an die Türen von mittelständischen Vereinen, Abstiegskandidaten und Überraschungsteams klopfen und diese noch einen Tag später mit dem FC Bayern, Borussia Dortmund und RB Leipzig um die Meisterschaft spielen werden. Doch der Einstieg von Investoren würde sich an den bestehenden Machtverhältnissen orientieren, statt sie umzuwerfen. Die Gefahr, dass dabei der ganze Klub zum Spielball von Investoren wird, ist es, die die Fans umtreibt. Ihr wollt den Mitgliedern die Kontrolle über ihre Vereine entreißen und in die Hände derjenigen mit dem größten Geldbeutel legen, so ihr Vorwurf.
Kritiker wie Befürworter von 50+1 eint, dass sie nicht besonders weit denken. Wer die Dinge so lassen will, wie sie sind, bewahrt einen Wettbewerb, in dem die großen und reichen Vereine immer größer und immer reicher werden. Durch Mitgliederversammlungen allein lässt sich dieses Ungleichgewicht nicht beheben. Dafür braucht es einen radikaleren Ansatz: Die Klubs müssten nicht einmal frisches Geld auftreiben, es reicht, die Einnahmen gerecht zu verteilen.