Alles begann in München. Dort absolvierte der angehende Sozialarbeiter Willy Ruthner 1979 ein Praktikum. Die Streetworker beschäftigten sich dort mit den Alltagsproblemen von Jugendlichen, viele von ihnen waren Fans des FC Bayern oder des TSV 1860 München. Ruthner schrieb nach seiner Rückkehr mit einem Kollegen ein Konzept für ein ähnliches Projekt in Wien, das vom Verein „Rettet das Kind“ mit Unterstützung der Stadt Wien auch umgesetzt wurde. Streetworker gingen in Kleingruppen an Brennpunkten wie U-Bahn-Stationen und dem Prater auf Jugendliche zu, um ihre Träume und Probleme kennenzulernen. Für einige von ihnen spielte der Fußball eine zentrale Rolle, weshalb sich Ruthner mit einer Kollegin regelmäßig im und rund um das Gerhard-Hanappi-Stadion aufhielt, während ein weiteres Team das Einzugsgebiet des Franz-Horr-Stadions abdeckte.

Auch die ersten Kontakte in die Fanszene kamen über München zustande. Die Verbindung stellten 1860-Fans her, die mit Rapidlern befreundet waren – es kam zu einem ersten Treffen. „Wir haben uns in einem Wirtshaus verabredet und zehn bis 15 Leute erwartet“, sagt Ruthner. „Bei unserem Eintreffen waren schon 80 Fans da.“ Den Zugang der Streetworker erklärt er so: „Wir wollten sie nicht bekehren, sondern verstehen.“ Die Jugendlichen hatten jede Menge Probleme, von der Rapid-Führung wurden sie gemieden. Zu dieser hielten die Streetworker ebenso Distanz wie zur Polizei, auch deshalb fanden sie schnell Akzeptanz bei den Fans.

In der Fanszene tat sich Anfang der 1980er Jahre einiges, die „Grünen Teufel“ wurden vom ORF als erster organisierter Rapid-Fanklub präsentiert. Es dauerte nicht lang, bis sich die Medien auf Gewalttaten von Hooligans, etwa aus der „Hütteldorfer Terrorszene“, einschossen. Die Neonazis rund um Gottfried Küssel, der später etliche Jahre wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung im Gefängnis sitzen sollte, sahen in der Subkultur hingegen ein hoffnungsvolles Reservoir für ihre politischen Zwecke. Die Rekrutierungsversuche der Rechtsextremen auf der Hütteldorfer Westtribüne bekam auch Ruthner mit. Neonazis hätten Fans Schießübungen im Wald angeboten und sie für ihren Sicherheitsdienst angeworben, erzählt er. Letztlich seien aber nur drei oder vier tatsächlich übergelaufen, was wesentlich am Widerstandsgeist der Jugendlichen gelegen habe. Ruthner erinnert sich an ein Zusammentreffen von Mitgliedern der „Hütteldorfer Terrorszene“ mit Aktivisten der Nationaldemokratischen Partei: „Ein NPDler hat gesagt: ‚Austrinken, wir fahren jetzt!‘, aber für die Hools war klar: ‚Uns sagt keiner, wann wir unser Bier trinken und wo wir dann hinfahren!‘“

Nach einem Jahrzehnt in der Fanarbeit wandte sich Ruthner in den 1990er Jahren anderen sozialpädagogischen Tätigkeiten zu. Wenn es nicht gerade Geisterspiele gibt, geht der inzwischen 63-Jährige immer noch regelmäßig ins Stadion – zu Rapid und dem Nationalteam.

Willy Ruthner

Wohnort: Wien

Ich lese den ballesterer seit circa fünf Jahren

Lieblingsausgabe: #155 Gegenpressing

Lieblingsklub: SK Rapid

Ich bin Mitglied im ballesterer supporters club weil der ballesterer Themen fernab des Mainstreams von allen Seiten betrachtet und nicht von vornherein eine vorgefertigte Meinung bestätigen will.