Nach neun auftrittsintensiven Jahren und Erfolgen wie „Akademikerball“, „Siasse Tschik“ und „Alaba, How Do You Do?“ steht für die Wiener Soulband „5/8erl in Ehr’n“ gerade eine sechsmonatige Kreativpause an. Kurz vor dem Gesprächstermin mit dem ballesterer hat der ÖFB die Dressen für die Europameisterschaft präsentiert, was Bobby Slivovsky eine Frechheit nennt. Schließlich habe er sich erst vor drei Wochen ein sündhaft teures Trikot angeschafft. Überhaupt erleben sich Max Gaier und er im Interview als überraschend hitzig, wofür sie das Thema verantwortlich machen. „Wir sind ja jetzt schon nervös, weil wir nächsten Dienstag das Freundschaftsspiel gegen die Schweiz haben“, sagt Slivovsky.
ballesterer: Neben Ihrer Band „5/8erl in Ehr’n“ ver-bindet Sie die Liebe zum Fußball und speziell zum Nationalteam. Wie haben Sie das 4:1 gegen Schweden und die EM-Qualifikation erlebt?
Bobby Slivovsky: Wir schauen uns schon lange alle Spiele gemeinsam an. Genau kann ich mich nicht mehr erinnern, aber wir haben auf jeden Fall viel geweint. Obwohl wir insgesamt schon cooler geworden sind, denn mit dem Erfolg kommt auch die Coolness. Früher hatten wir schon glasige Augen, wenn wir 1:0 in Führung gegangen sind. Jetzt warten wir normalerweise die 90 Minuten ab.
Neben den großen Emotionen: Was haben Fußball und Musik gemeinsam?
Slivovsky: Die Laufwege zum Beispiel. Nach einer Weile ist man in einer Band gut eingespielt. Das ist beim Komponieren genauso wichtig wie auf der Bühne. Wir spielen bei den „Achterln“ mit zwei Stürmern, einer hängenden Spitze, nämlich unserer Gitarristin, einem Libero, dem Keyboarder, und einem Tormann, dem Kontrabassisten.
Max Gaier: Wie auf dem Platz geht es auch bei uns darum, wie man auftritt, welche Attitüde man zeigt.
Slivovsky: Und ein Set hat oft 45 Minuten.
Hält man Fangesänge aus, wenn man ein musikalisch geschultes Gehör hat?
Slivovsky: Man muss den Schalter umlegen. Mein Favorit ist immer noch der sinnloseste: „Eine Straße mit vielen Bäumen, ja, das ist eine Allee.“ Als ich das zum ersten Mal gehört habe, habe ich mich vor Lachen gekrümmt.
Wie sind Sie Fans geworden?
Slivovsky: Die erste Mannschaft, zu der ich mich hingezogen gefühlt habe, war Rapid. Mein Wahlonkel hat mich damals in den Westsektor mitgenommen. Das war für mich eine Mischung aus schwerer Panikattacke und großer Euphorie. Als Student bin ich dann oft zur Vienna gegangen, dort hat man keinen Eintritt zahlen müssen.
Gaier: Auf der Hohen Warte war ich auch regelmäßig, mein Heimatverein ist aber der FC Blau-Weiß Linz. Als Kind bin ich zum ersten Mal mit meinem Vater ins Stadion gegangen. In der Familie gibt es auch ein paar LASKler, das war immer schwierig bei gemeinsamen Feiern. Nach Derbys habe ich manchmal eine Woche lang nicht mit meinem Cousin geredet.
Steht die Loyalität zum Team über allem anderen?
Gaier: Das war ja nur ein temporärer Liebesentzug. Als Fußballfan habe ich die Möglichkeit, in meinem Leben ein wenig völlig unreflektierten Subjektivismus zu zelebrieren. Wir sind auch beide keine Schönwetterfans. Blau-Weiß Linz gurkt gerade in der Regionalliga herum und wird für mich trotzdem immer der beste Verein der Welt sein. Ich hoffe, dass es alle Fans des Nationalteams endlich lernen, der Mannschaft auch dann die Stange zu halten, wenn es mal nicht so gut läuft.
Waren die vergangenen Jahre für Sie als Fans von viel Leid begleitet?
Gaier: Ich habe immer unter der selbstgefälligen Kritik gelitten. Lange hat ja kaum jemand der Mannschaft etwas zugetraut. Bei der WM 1998 in Frankreich haben viele gehofft, dass es Österreich ins Halbfinale schafft. Das haben wir nie verstanden. Ich nehme doch an einer Qualifikation teil, um das Turnier zu gewinnen. Völlig egal, wie unrealistisch das ist. Bei anderen Nationalteams wie Brasilien und Italien glauben alle daran, dass sie den Titel holen. Für uns ist schon lange klar: Österreich wird Europameister. Und nun besteht endlich die Chance, dass auch alle anderen Fans so denken.
Wie lassen sich die Unterstützung des Nationalteams und der kosmopolitische Ansatz, der sich in vielen Ihrer Lieder ausdrückt, miteinander vereinbaren?
Gaier: Ich bin sehr stolz darauf, dass die Diversität im Team groß geschrieben wird, dass also viele Leute unterschiedlicher Herkunft dabei sind, die trotzdem alle Österreich repräsentieren. Das hat eine Vorbildwirkung, die auch unterbewusst funktioniert. Hier besteht kein Widerspruch, sondern dieses Team ist der König der Trojanischen Pferde.
Die Mannschaft hat sich in der Flüchtlingsfrage deutlich bekannt.
Slivovsky: Ja, und es macht einen großen Unterschied, ob ein Politiker sagt „Refugees Welcome“, oder ob das Zlatko Junuzovic tut. Den schaue ich mir im Stadion an, mit dem kann ich abklatschen.
Gaier: Und ich kann mich mit ihm identifizieren. Fußballer sprechen dich fast nie rational an, sondern emotional. Und das ist etwas, was sie dem rechten und linken Populismus dieser Tage entgegensetzen können. Wenn ich die Krone lese, die FPÖ wähle und Nationalteamfan bin, muss ich irgendwann beginnen nachzudenken. Fußball erreicht nicht nur die Intellektuellen. Popmusik könnte Ähnliches leisten, wäre sie nur nicht immer so vorhersehbar.
Ihr erster Fußballsong heißt „Die Zukunft des österreichischen Fußballs liegt in der Vergangenheit”. Was ist damit gemeint?
Slivovsky: Das Lied haben wir in einer Zeit geschrieben, in der man ständig über vergangene Erfolge gesprochen hat. Es ist uns also um dieses Nachsempern gegangen: Ein Erfolg im Jahr 1954 ist wichtiger gewesen als der Status quo. Damals sind wir ja auch, wie ich gehört habe, nur betrogen worden vom Schiedsrichter. Sonst wären wir eh Weltmeister geworden.
Das Lied „Das hat er beim Happel g’lernt” handelt von Dietmar Constantini. Während seiner Amtszeit als Teamchef hat sich Österreich weder für die WM 2010 noch die EM 2012 qualifiziert. Warum hat er trotzdem eine Hymne verdient?
Slivovsky: Wenn Marcel Koller ein Gott ist, ist Constantini wenigstens ein Halbgott. Beim jetzigen Team sieht man seine Handschrift noch deutlich. Er hat Spieler wie Aleksandar Dragovic und Julian Baumgartlinger in die Mannschaft geholt. Außerdem arbeitet er an der Basis, macht Jugendcamps. Das gefällt uns.
Ihre Bandkollegen können mit Fußball nicht viel anfangen. Verhindert das bisher ein ganzes Fußballalbum?
Gaier: Das kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Ich werde für das kommende Album mindestens auf einem Lied mit dem Titel „Marcel Koller“ bestehen. Wenn wir das nicht machen, steige ich aus. Wahrscheinlich wird das ein Instrumentalstück, mit dem wir in Richtung Avantgarde gehen.
Slivovsky: Wenn Marko Arnautovic EM-Torschützenkönig wird, wovon ich ausgehe, schreiben wir ihm auch ein Lied.
Wie gehen Sie damit um, wenn es den anderen mit dem Fußball zu viel wird?
Slivovsky: Ich sage nur: Stürmer. Die nerven zwar ab und zu, aber sie schießen auch die Tore.
Bobby „Slivo“ Slivovsky (35) und Max Gaier (32) sind die Sänger von „5/8erl in Ehr’n“. Seit 2006 hat die Band vier Alben veröffentlicht und wurde dreimal mit dem Amadeus Austrian Music Award ausgezeichnet. Viele Lieder der Wiener Gruppe haben einen eindeutigen Bezug zum österreichischen Fußball.