Es war ein unmissverständliches Statement. Beim Heimspiel des polnischen Meisters Legia Warschau gegen Miedz Legniza vor zwei Wochen prangte ein Spruchband quer über die Fantribüne. „Warschau frei von Schwuchteln“ stand darauf, daneben waren die Buchstaben LGBT durchgestrichen.
Die Fans bezogen damit Stellung zur sogennanten „LGBT+ Charta“. Der liberale Bürgermeister Warschaus Rafal Trzakowski hatte sie im Februar präsentiert. Die Stadt verpflichtet sich darin zur Gleichberechtigung von Homo- und Bisexuellen und schlägt dafür konkrete Schritte vor. Sie ist zur Zielscheibe von rechten Politikern, Medien und eben auch Fußballfans geworden.
Der Hass der Politiker
Ins Rollen brachte die Debatte aber nicht der Fanblock von Legia, sondern eine ehemalige Weltmeisterin im Windsurfen, Zofia Klepacka. Sie bezweifelte in einem Facebook-Posting, dass ihr Großvater im Warschauer Aufstand für die Gleichberechtigung Homosexueller gekämpft hätte. Ihr Statement schloss sie mit den Worten: „Ich sage kategorisch Nein zu LGBT“. Legias Fans grüßten Klepacka auf einem zweiten Spruchband beim Match gegen Miedz Legniza.
Sowohl das Statement Klepackas als auch das Spruchband im Stadion sorgten für hitzige Debatten. Nachdem der Druck der Stadtregierung größer wurde, äußerte sich auch Legias Vereinspräsident Dariusz Mioduski zu Wort. In einer Stellungnahme erklärte er knapp eine Woche nach dem Match: „Fußballstadien sind entgegen vieler Meinungen weder weltanschaulich, gesellschaftlich, politisch und ideologisch homogen. Sie sind Abbilder eine Gesellschaft, die immer mehr polarisiert wird.“ Die Wurzel des Problems ortete Mioduski vielmehr in der aufgeheizten politischen Stimmung des Landes und in den spaltenden Strategien der Politiker. „Politiker haben Aggressionen und Streit in unseren Alltag gebracht. Deswegen ist die Identität des Vereins apolitisch, wir wollen uns nicht in Dispute hineinziehen lassen.“ Er forderte dennoch, dass vulgäre Transparente im Stadion keinen Platz haben dürften, gegenseitiger Respekt dafür sehr wichtig sei.
Klarer positionierte sich der Präsident des polnischen Fußallverband Zbigniew Boniek, der twitterte: „Anstatt Kinder mit LGBT zu befeuern, schlage ich PRSP vor (Park, Sport, Rivalität, Freundschaft).“ Auch der Vorsitzende der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, fand eindeutige Worte zu Trzaskowskis Charta: „Der ganze Mechanismus, der unsere Kinder darauf vorbereitet, Mütter und Väter zu werden, soll zerstört werden. Wir werden die polnische Familie auch in diesen Wahlen schützen“.
Widersprüche in Danzig
Die Debatte beschränkt sich nicht auf Warschau. Zehn Tage nach dem Spruchband in Warschau, ließ auch der Fanblock von Tabellenführer Lechia Gdansk wissen, was er von Gleichberechtigung Homosexueller hielt. Ultras zeigten während der ersten Spielhälfte gegen Wisla Płock ein großes Transparent mit der Aufschrift: „Sodomiten, Schwuchteln und Pädophilie von LGBT! Pfoten weg von unseren Kindern!“ Danzig gilt schon lange als liberale Stadt, die Stadtregierung machte sich immer wieder für die Rechte Homosexueller stark.
Auf der VIP-Tribüne im EM-Stadion von 2012 saß Danzigs neugewählte Bürgermeisterin Aleksandra Dulkiewicz, eine Vertraute des im Jänner ermordeten liberalen Bürgermeisters Pawel Adamowicz, der von 1998 bis zu seinem Tod im Jänner Stadtchef war. Lechia-Anhänger Adamowicz sprach während seiner Amtszeit offen über die Rechte der polnischen LGBT-Community und eröffnete 2018 die Gay-Pride-Parade in der Stadt. Während einer Charity-Gala wurde er von einem Mann niedergestochen. Dulkiewicz bezog auf Facebook am selben Abend Stellung: „In unseren Stadien ist kein Platz für Hass-Transparente. Kürzlich musste jeder von uns schmerzlich erfahren, wozu das Schüren von Aggression führt.“
Wanda Traczyk-Stawska sieht das nicht anders. Sie hat den deutschen Terror im okkupierten Polen miterlebt und kämpfte im Warschauer Aufstand in der Heimatarmee. Die 91-Jährige meldete sich in der Debatte zu Wort und erinnerte daran, dass Menschenwürde ohne Freiheit nicht möglich sei und Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, Ansichten und sexueller Orientierung Respekt verdienen. Auf die Frage, wofür sie im Aufstand kämpfte, richtete sie Klepacka aus: „Damit wir nicht wie Untermenschen behandelt werden.“