Der Titel erklärt sich nicht von selbst. „Zebizeba“ heißt das Buch, das im Juli erschienen ist und sich mit der 100-jährigen Geschichte von Vorwärts Steyr auseinandersetzt. Die Vereinshistorie des heutigen Zweitligisten ist nicht nur lang, sondern auch wechselhaft. Robert Hofer, Christian Kreil, Harald Minoth, Stephan Rosinger und Michael Stockinger schreiben über die erfolgreichen Gründerjahre, das kurzzeitige Verbot des Vereins während des Austrofaschismus und das Comeback danach. Nur die Frage, warum die Fans im Vorwärts-Stadion „Zebizeba“ singen und darauf ein kollektives „Hu Hu Palawatsch“ folgt, haben sie nicht abschließend klären können.
ballesterer: Es gibt in Österreich keinen ähnlich bekannten Verein, der so eng mit der Arbeiterbewegung verbunden war wie die Vorwärts. Wie wichtig war das für Ihr Buch?
Michael Stockinger: Man kann die Geschichten nicht trennen. 1934 haben sich Leute aus dem Vorwärts-Umfeld an den Februarkämpfen beteiligt, später war eine Reihe von Spielern und Funktionären im Widerstand gegen die Nazis aktiv – oder hat ihn zumindest unterstützt. Das Umfeld war in den 1920er Jahren sozialdemokratisch und ist nach 1934 noch etwas radikaler geworden. Auch nach 1945 waren einige Spieler bei der KPÖ und der SPÖ bis in hohe Positionen engagiert. Darunter auch Vorwärts-Legenden wie zum Beispiel Fritz Wittek, der als Kurier für die Parteizeitung Neue Zeit tätig war. Bei mir war die Arbeitergeschichte des Vereins auch familiär bedingt wichtig. Mein Großvater, der lange bei der KPÖ in Steyr aktiv war, hat mir bei der Recherche sehr geholfen.
Wie war die Quellenlage für das Buch?
Stockinger: Ich beschäftige mich seit 15 Jahren mit der Vereinsgeschichte, vor allem mit den ersten Jahrzehnten bis zu den 1970er Jahren. Dadurch habe ich langsam ein umfangreiches Archiv aufgebaut. Im Verein selbst gibt es aber gerade aus der Frühzeit sehr wenig. Das liegt auch an der Arbeitergeschichte: Nach den Februarkämpfen 1934 haben die Austrofaschisten alles beschlagnahmt und wahrscheinlich vernichtet, auch der Sportplatz ist dem Klub genommen worden. Das Einzige, was aus der Zeit noch vorhanden ist, sind Dinge, die Spieler privat gerettet haben. Da geht es vor allem um Fotos. Der Verein hat weder aus der Zwischenkriegszeit noch aus der Kriegszeit Aufzeichnungen.
Ist dieses Erbe der Arbeiterbewegung noch relevant für heutige Besucher?
Christian Kreil: In den 1970er Jahren war es sicher noch anders. Mein Vater hat in den Steyr-Werken gearbeitet, ich habe dort in den Ferien Geld verdient und dabei gespürt, dass die Vorwärts der Verein der Arbeiter war.
432 Seiten sind eine lange Geschichte. Können Sie ein paar entscheidende Momente für den Verein herausgreifen?
Stockinger: Die Gründungsjahre und der Arbeiterfußball sind ein großes Thema in dem Buch. Ich habe mich auch mit der NS-Zeit auseinandergesetzt, die bislang kaum aufgearbeitet worden ist. Nach dem Krieg waren das Cupfinale 1949 und das 9:0 über den LASK 1958 sicher die größten Spiele. Die 1950er und 1960er Jahre sind für den Verein sehr prägend gewesen, viele Spieler haben damals über Jahrzehnte bei der Vorwärts gespielt.
Kreil: Der Verein war nach seiner großen Zeit nur noch eine regionale Größe, so wie Schärding und Grießkirchen. Ein Knackpunkt war das Cupspiel 1978 gegen die Austria. Das war für die ganze Stadt ein Weckruf. Ich war damals als Zwölfjähriger mit meinen Eltern und ihren Kollegen aus den Steyr-Werken in Caorle auf Urlaub. Da haben die Männer darüber geredet, dass die Vorwärts heute gegen die Austria spielt. Die Kronen Zeitung mit dem Ergebnis ist zwei Tage später nach Italien gekommen – erst dann haben wir erfahren, dass wir 3:1 gewonnen haben. Da sind alle ausgeflippt. Am Ende der Saison hat die Vorwärts den Meistertitel in der Oberösterreich-Liga geholt und vor 7.000 Zuschauern das Aufstiegsmatch zur Zweiten Liga gegen Flavia Solva gewonnen. Da haben die Leute gespürt, dass in Steyr etwas gehen kann.
Die meisten kennen Vorwärts Steyr wahrscheinlich aus den verrückten 1990er Jahren mit den Erfolgen in der Bundesliga und dem wirtschaftlichen Ruin 2000. Welches Gefühl verbinden Sie mit dieser Zeit?
Kreil: Ich bin immer noch stolz darauf, dass wir ganz oben waren. Damals ist es jahrelang bergauf gegangen. Wir wollten nicht wahrhaben, dass es irgendwann zu spät und wir zu hoch verschuldet waren.
War das Unternehmen auf Sand gebaut? Oder hätte alles auch gut ausgehen können?
Kreil: Wenn die richtigen Leute die richtigen Schnüre gezogen hätten, hätten wir statt Austria Salzburg im Europacup gespielt. Aber wir haben fünf Jahre lang das gemacht, womit Wiener Neustadt sich letzte Saison zwei Monate lang durchgeschummelt hat. Es ist erst 20 Jahre her, aber wenn ich daran denke, kommt es mir vor wie ein Roman aus der Zwischenkriegszeit. Die Zeit will trotzdem keiner missen.
Wie haben Sie danach die Wiedergeburt des Vereins erlebt?
Kreil: Unser erstes Match haben wir 2001 in Kleinreifling gespielt, knapp 50 Kilometer von Steyr entfernt. Ich habe einen Teil meiner Kindheit und Jugend dort verbracht, weil meine Mutter aus dem Ort kommt. In Kleinreifling hat die Vorwärts wieder von vorne angefangen. Ich habe den ganzen Tag überlegt, ob ich hinfahren soll. Und im Auto habe ich dann herumgerechnet: Zweite Klasse, wie lange dauert es jetzt wieder in die Bundesliga? Da bin ich ein alter Mann.