Fünf Tore in 57 Minuten – der Start von Erling Haaland bei Borussia Dortmund hätte nicht besser laufen können. So wie der 19-jährige Stürmer bei seinen ersten Einsätzen in der deutschen Bundesliga ungläubiges Staunen auslöste, verzückte er im Trikot von Red Bull Salzburg für ein halbes Jahr die österreichische Liga. Hatte der Norweger im Sommer noch die Trophäe als bester Torschütze der U20-WM entgegengenommen, liegt derzeit in der Champions League nur noch Robert Lewandowski vor ihm. Haalands junge Karriere klingt wie aus einem Märchen. Bei genauerem Hinsehen ist sie ein Abbild des modernen Fußballs.
Da wäre zunächst einmal der Blick nach Salzburg: Der Klub hat es geschafft, zu einem europaweiten Dreh- und Angelpunkt zu werden, wenn es um Talente geht. Sie bekommen Einsatzzeiten – sowohl in der Liga als auch international. Sind die Spiele beendet oder in der Pause, wird ordentlich kassiert. Laut einer Aufstellung von Laola1 verzeichnete Red Bull 23 der 30 teuersten Transfers aus der Bundesliga. Sieben davon allein im letzten Jahr. Neben Haaland verließ im Winter Takumi Minamino den Klub Richtung Liverpool, im Sommer waren schon Munas Dabbur, Diadie Samassekou und Xaver Schlager gegangen.
Den Salzburgern ist klar, dass sie solchen Fußballern keine langfristige Perspektive bieten können. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, sie ins Rampenlicht zu stellen. Manchmal – wie im Fall von Haaland – müssen sie dafür Ausstiegsklauseln in Kauf nehmen, die wie bei den kolportierten 20 Millionen wohl unter dem Marktwert des Spielers liegen. Doch so zementiert der Klub seinen Ruf als Kaderschmiede – und das bringt wohl mehr Geld ein als der sportliche Erfolg. Denn wenn der Klub ernsthafte Ambitionen im Europacup hätte, würde er seine Stützen nicht im Winter ziehen lassen.
Das Geschäftsmodell setzt auf einen breiten Kader und ständige Erneuerung. Einige Spieler dürfen in Liefering Einsatzzeiten sammeln, andere bei Ligakonkurrenten, ehe sie zurückgeholt oder weiterverkauft werden. Manche gehen nach Leipzig, und die richtig großen Talente landen in der Hierarchie noch ein Stückchen weiter oben. Im Fall Haaland dürften auch die guten Beziehungen zwischen den Red-Bull-Klubs nichts genützt haben. Denn im modernen Fußball beherrschen nicht nur die Vereine das Wechselspiel, sondern auch die Kicker selbst.
Der Blick auf den Spieler zeigt einen Profi, der seine Laufbahn gemeinsam mit seinem Vater und Berater Carmine Raiola sehr genau zu planen scheint. Der Wechsel zu Red Bull war ein ebenso sinnvoller Karriereschritt wie der rasche Abgang. Der BVB zahlte nicht nur eine Ablöse an die Salzburger, sondern auch Beraterprämien in Millionenhöhe. Der Vertrag bei den Dortmundern lässt Haaland mit einem Jahreseinkommen von kolportierten sechs Millionen sorglos in die Zukunft blicken. Und er hat sich wieder eine Ablösesumme in den Vertrag schreiben lassen, falls ein noch größerer Klub anklopft.
Das Märchen Haalands erzählt, wie schnell der Fußballbetrieb ist und wie sich zirkulierende Geldsummen vervielfachen. Und es erzählt, wie sich bestehende Machtverhältnisse zementieren lassen. Den Beginn einer großen Spielerkarriere wird es aber nur dann erzählen können, wenn es für Haaland in einem ähnlichen Tempo sportlich weiter nach oben geht. Gelingt das nicht, besteht aber auch kein Grund zur Sorge. Schon bald wird sich das nächste Märchen finden lassen – das Fußballgeschäft braucht sie.