Die Schweizer Justiz hat ein Verfahren gegen FIFA-Präsident Gianni Infantino eingeleitet, es geht um Treffen mit dem – inzwischen zurückgetretenen – Leiter der Bundesanwaltschaft, gegen den ebenfalls ermittelt wird. Die Vorwürfe lauten auf Anstiftung zum Amtsmissbrauch und Begünstigung. Der Verband hat in einer Pressekonferenz Funktionäre und Juristen aufgeboten, alle Anschuldigungen zurückgewiesen und sich hinter den Präsidenten gestellt. Von einem Rücktritt Infantinos oder auch nur einer Suspendierung durch die FIFA-Ethikkommission, wie das bei Strafverfahren gegen andere Funktionäre geschah, ist nicht auszugehen.
Es gäbe noch viele Details zu berichten, und es sind nicht die ersten schwerwiegenden Vorwürfe gegen Infantino. Da ist sein Vorhaben, Wettbewerbsrechte des Verbands zu verkaufen und sich selbst zum Geschäftsführer der profitierenden Firma zu machen, da ist die Neuregelung der Besetzung von Kontrollgremien im Verband samt der Entlassung von Kritikern, und da ist das Privatflugzeug, das er mit undurchsichtigen Begründungen gechartert hat.
„Wir werden das Image der FIFA und den Respekt für die FIFA wiederherstellen, und auf der ganzen Welt werden sie uns dafür Beifall spenden“, sagte Gianni Infantino, als er im Februar 2016 die Nachfolge von Sepp Blatter antrat. Rund vier Jahre später lässt sich festhalten, dass das nicht gelungen ist. Genau das hält Infantino allerdings auch im Amt. Die öffentliche Meinung über den Verband ist so schlecht, dass neue Skandale nur noch achselzuckend hingenommen werden.
Dabei wäre es falsch zu behaupten, es hätte sich in Infantinos Amtszeit nichts geändert. Es hat Fortschritte gegeben, es sind neue Gremien wie der FIFA-Rat geschaffen worden, Posten sind anders besetzt worden, und es gibt mehr Transparenz, was die Vergabekriterien für Turniere betrifft. Die FIFA ist auch nicht ohne Weiteres als Verein alter weißer Männer zu verunglimpfen. So liegt die operative Führung in den Händen von Generalssekretärin Fatma Samoura aus dem Senegal. Sie leitete auf Wunsch Infantinos neben dieser Tätigkeit rund ein halbes Jahr lang kommissarisch den afrikanischen Verband. Dass der Interessenkonflikt von allen Beteiligten ignoriert wurde, spricht dafür, dass sich Samoura gut in den boys’ club integriert hat.
Strukturen, Personalpolitik und Unternehmenskultur sind die Schrauben der Veränderung, an denen die FIFA in den vergangenen Jahren gedreht hat – ein Viertel in Richtung Fortschritt und dann wieder ein bisschen zurück. Das zentrale Problem ist sie jedoch nie angegangen. Denn die Bestechungen, Lügen und Skandale in der Geschichte des Weltverbands liegen in seiner Machtfülle begründet. Die FIFA entscheidet quasi alleine über Turniervergaben, Werbedeals, Sperren von Verbänden und Spielern, und solange sie dieses Entscheidungsmonopol hat, wird sie anfällig für Korruption und resistent gegen Demokratisierung bleiben. Der einzige Weg, die FIFA zu verändern, besteht darin, ihr die Macht zu nehmen.