Die Champions League ist langweilig. Auch so hätte die CIES, ein internationales Forschungszentrum der Sportwissenschaften, ihren monatlichen Bericht im Februar 2019 überschreiben können. Stattdessen entschieden sich die Autoren für eine sperrigere Überschrift: „Evolution of competitive balance in the Champions League (2003-2018)“. Doch die Studie von Raffaele Poli, Loic Ravenel and Roger Besson kommt zu einem eindeutigen Schluss: Die Gruppenphase wird einseitiger und vorhersehbarer. Ohne eine „gründliche Überarbeitung“ würden der europäische Fußball und der Bewerb als solcher in große Probleme geraten, so die Analyse.
In Zahlen drückt sich das wie folgt aus: Zwischen 2003 und 2006 haben die Gruppenersten im Durchschnitt noch 2,11 Punkte pro Spiel erzielt, aktuell sind es 2,26. Im Gegenzug sank der Punkteschnitt der Letztplatzierten von 0,59 auf 0,45. Noch krasser zeigt sich das Leistungsgefälle anhand der Tordifferenz: Fast jedes vierte Match endet in der Gruppenphase mit drei oder mehr Toren Unterschied. Zwischen 2003 und 2006 waren es noch 16,9 Prozent. Wie vorhersehbar die Partien mittlerweile sind, zeigt eine dritte Statistik. In fast 80 Prozent der Fälle gewinnt jene Mannschaft, die auch die Buchmacher als Favorit sehen.
Monotones K.O.
Der Bericht beschränkt sich bei seinen Beobachtungen auf die Gruppenphase des Bewerbs. Doch die Fadesse des wichtigsten, europäischen Klubturniers hat das gesamte Format ergriffen. Die Dominanz von Real Madrid, das in den letzten fünf Jahren vier Mal den Titel holte, mag die Errungenschaft einer besonderen, historischen Mannschaft sein. Die Madrilenen setzten auf Kontinuität und konnten so, mehr als jedes andere Team, ihre Automatismen verinnerlichen. Aber von den 20 möglichen Halbfinalteilnahmen seit 2013/14 entfallen 14 auf gerade einmal vier Klubs – Real, Juventus, Atletico und die Bayern. Der PSV Eindhoven war 2005 der letzte Klub, der nicht aus einer der fünf großen europäischen Ligen bis ins Halbfinale vordrang.
Es ist diese Übermacht, die den FC Liverpool in der letztjährigen Champions League zum Außenseiter machte. Die Dribblings von Mohamed Salah und die Emotionen von Jürgen Klopp mögen die Sehnsucht nach einer Überraschung befeuert haben. Dass ein Klub, dessen Wert Forbes auf knapp 1,7 Milliarden Euro schätzt, zum Underdog wird, ist dennoch sinnbildlich.
Geschlossene Gesellschaft
Doch zu sagen, dass die Champions League kaputt wäre, würde zu kurz greifen. Denn seitdem der Bewerb 1992 eingeführt wurde, dient er vor allem den Interessen der großen Vereine. Mit den Millionen, die sie durch die sportliche Dominanz kassieren, hängen sie die Klubs, die das nicht tun, immer weiter ab. Das zeigt schon folgendes Rechenbeispiel: Für die Viertelfinalteilnahme bekommt ein Verein in der aktuellen Saison 10,5 Millionen Euro. Dazu kommt das Startgeld von gut 15 Millionen und Siegprämien von 2,7 Millionen Euro. Ein Viertelfinalist in der Champions League bekommt alleine dadurch mehr Geld, als beispielsweise Rapid oder die Austria jährlich zur Verfügung haben.
Es ist aber faktisch unmöglich, die Tendenzen zu stoppen oder gar umzukehren. Selbst das CIES, das regelmäßig mit der UEFA zusammenarbeitet, erkennt das. Eine gerechtere Verteilung der Champions League-Gelder, so steht es im Bericht, wird nicht durchzusetzen sein. Die finanzstarken Klubs würden sich dagegen wehren. Zur nächsten Drohung, eine eigene Liga nur mit Topklubs zu installieren, ist es nicht weit. „Die weitgehende Undurchlässigkeit der Champions League und ihres Feldes von Spitzenteams ist ein Markenzeichen des Wettbewerbs“, schrieben Nicole Selmer und Klaus Federmair schon 2013 im ballesterer. Die Studie des CIES bestätigt nur eines: Das Vorhaben der großen Klubs, mit der Einführung des Turniers eine Geldmaschine für sich selbst zu entwerfen, hat funktioniert.